Funktionalismus

Der Funktionalismus ist eine Strömung in Architektur und Möbeldesign des 19. Jahrhunderts, bei dem der technisch, funktionale Verwendungszweck eines Gebäudes oder Möbelstückes wichtiger war als seine ästhetische Form.

Basierend auf diesem Grundsatz des Funktionalismus formulierte der amerikanische Architekt Louis Henry Sullivan Ende des 19. Jahrhunderts die funktionalistische Architekturtheorie "Form follows function", zu Deutsch "Die Funktion bestimmt die Form", die sinngemäß sagt, dass sich die zeitgemäße Schönheit der Architektur und des Möbeldesigns bereits aus seiner Funktionalität ergibt. Frank Lloyd Wright, ein Schüler Sullivans, trieb diese Theorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter voran. Die ästhetischen Theoretiker Lotze, Semper und Greenough waren jedoch schon Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts dieser Auffassung.

Vertreter des Funktionalismus glaubten an die technische Machbarkeit, hatten Vertrauen in die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft und waren allgemein der Überzeugung, dass mit Verstand und Logik die Probleme des modernen Zeitalters lösbar seien. Daher fragten sich Architekten und Möbeldesigner dieser Zeit immer wieder nach dem Zweck und Nutzen ihres Schaffens. Die Suche nach der "reinen Form" hatten im Zusammenhang mit der Architektur bereits Kant, Schelling oder Schopenhauer philosophisch reflektiert.

Architekten und Möbeldesigner des Funktionalismus lehnten Buntheit, Ornamente und Dekor ab und betonten lieber die emotionale Dynamik. Auch wollten sie Gegenstände schaffen, die nur einem ganz bestimmten Zweck dienlich sind und diese in ihre Bestandteile zerlegen, um nicht nur deren Erscheinung, sondern auch ihr Wesen verstehen zu können.

So gesehen ist der Funktionalismus im Bereich der Einrichtungs- und Möbelherstellung jener Aspekt, bei welchem die Funktion des Möbelstückes dessen Form beeinflusst. Ein gutes Beispiel hierfür kann man eigentlich in jedem Bereich der Einrichtungsindustrie finden. Beispielsweise ist die Form eines Schuhschrankes auf die Funktion als Schuhaufbewahrungsmöglichkeit ausgelegt. Deswegen haben Schuhschränke ein größeres Aufbewahrungsvolumen als herkömmliche Schränke oder Schubladenkonstruktionen. Doch auch im Bereich ganzer Einrichtungskollektionen findet der Funktionalismus immer wieder Anwendung. Das Grundprinzip dieser Strömung wirkt sich oftmals sogar auf ganze Designs und Kollektionsformen aus. Eine Küche etwa wird nicht allein nach optischen Gesichtspunkten gebaut. In erster Linie soll sie zweckdienlich und zugleich komfortabel zu benutzten sein. So wird die gesamte Kücheneinrichtung nach funktionalistischen Kriterien entworfen und hergestellt.

In Deutschland wurde dieses Gestaltungsprinzip 1907 mit der Gründung des Deutschen Werkbundes in München in Zusammenhang mit Schlagworten wie Sachlichkeit und Zweckform ernsthaft diskutiert und von da an erstmals umgesetzt. Innerhalb des Deutschen Werkbunds wurden Form und Funktion jedoch recht unterschiedlich bewertet. So setzten sich beispielsweise Hermann Muthesius und Peter Behrens für eine Architektur der Sachlichkeit und Funktion ein und verwendeten infolgedessen Materialien wie etwa Beton, Glas oder Stahl, während Henry van de Velde sich in seinem Schaffen eher auf formalästhetische Gesichtspunkte konzentrierte.

Nach dem ersten Weltkrieg gewannen die Gestaltungsprinzipien des Funktionalismus nach dem kurzen Aufkommen des Expressionismus unter den Begrifflichkeiten Neues Bauen, Bauhausstil oder Neue Sachlichkeit erneut an großer Bedeutung. Doch erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Funktionalismus in Deutschland zum allgemein verbindlichen Inbegriff modernen Bauens und Möbeldesigns. Infolgedessen sind die Charakteristika dieser Bewegung auch in Gebäuden und Möbelstücken aus der Zeit des Wiederaufbaus erkennbar.

In Schweden hatte der Funktionalismus seinen Durchbruch unter anderem in Folge der Stockholmer Ausstellung aus dem Jahr 1930 und dem in den 30ern vorherrschenden Manifest "acceptera".

Seinen internationalen Durchbruch In erreichte der Funktionalismus unter Walter Gropius am Bauhaus erst in Deutschland und später in Amerika, unter El Lissitzky im russischen Konstruktivismus und unter Theo van Doesburg und J. J. P. Oud innerhalb der De Stijl-Gruppe.

Egal ob in Deutschland, Schweden, Amerika, Russland oder den Niederlanden , alle Architekten und Möbeldesigner des Funktionalismus waren auf der Suche nach der "Guten Form": einer gelungenen oder moralisch wertvollen Form im ästhetischen wie im funktionalen Sinne. Die damit verbundene Endgültigkeit einer Formfindung führte seit Ende der 70er Jahre aber dazu, dass junge Designern die funktionalistischen Gestaltungsprinzipien mehr und mehr ablehnten.

Schließlich versuchte die Postmoderne in den 1980er Jahren dem Funktionalismus völlig neue Ideen entgegenzusetzen. Diese neue Trendwende in Architektur und Design stellte die Grundgedanken des Funktionalismus schließlich grundsätzlich in Frage. Neben der Suche nach der "Guten Form" kritisierten Vertreter dieser neuen Bewegung auch, dass die richtige Form gewissermaßen notwendig auch deren Schönheit enthält.

Erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurden die Gestaltungsprinzipien des Funktionalismus nach dem Ende des sogenannten Dekonstruktivismus erneut aktuell.




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