Jugendstil

Als "Jugendstil" wird eine kunstgeschichtliche Epoche um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert bezeichnet. Vom Jugendstil spricht der Kenner etwa ab 1890/95 bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Weitere Namen dieser Stilrichtung sind "Art Nouveau", "Modern Style", "Modernisme", "Stile Liberty" oder "Reformstil". Vom "Jugendstil" ist nur im deutschsprachigen Raum, den Niederlanden, den nordischen Ländern und in Lettland die Rede. Der Name "Jugendstil" geht auf die 1896 in München gegründete illustrierte Kulturzeitschrift "Jugend" zurück.

Jedoch war der "Jugendstil" keine geschlossene Bewegung. Es gab mehrere divergierende Strömungen innerhalb Europas. In Österreich wurde schon sehr früh der Begriff "Wiener Secession" geprägt, in Russland sprach man vom "Stil Modern" und in Frankreich hieß es "Fin de siècle". So gab es auch verschiedene künstlerische Programme und Manifeste, wenn im Möbeldesign vom "Jugendstil" die Rede war.

Einig waren sich die Möbeldesigner dieser verschiedenen Bewegungen zunächst einmal in der Abkehr von der bis dahin vorherrschenden Stilrichtung des "Historismus". Sie wollten mit ihren Entwürfen also nicht historisch überlieferte Formvorbilder nachahmen, sondern hatten andere gemeinsame Ziele.

Die Möbeldesigner der Jugendstil-Zeit ließen sich von der japanischen Kunst und der Natur inspirieren. So kann man Jugendstil-Möbel an flächigen Ornamenten erkennen, die überwiegend Elemente aus dem Pflanzen- und Tierreich in sich vereinen. Typische Jugendstil-Elemente sind beispielsweise Wasserpflanzen, Magnolien und Lilien. Besonders beliebt und verbreitet sind aber auch Insektenflügel, Schwäne und Kraniche oder Flammen und wehendes Haar. Florale Elemente und Tiere, aber auch menschliche Körper, vereinen sich im Jugendstil mit geometrischen Formen (besonders beliebt bei Möbeldesignern der "Wiener Secession"), die oftmals durch ihre Asymmetrie bestechen. Oft wird als Ornament die sogenannte "verdrehte Acht" verwendet. Auch dekorativ geschwungene Linien sind charakteristisch.

Alle Elemente sind fest in die jeweiligen Möbelstücke eingearbeitet. Generell passen sich Möbel aus der Jugendstilzeit den Bewegungsfunktionen des Körpers an und sind somit sehr ergonomisch. Denn die Möbeldesigner des "Jugendstils" setzten die Funktion als Gestaltungselement ein. Das heißt, ein Jugendstil-Möbelstück wurde so gestaltet, dass es eben nicht nur dekorativ war, sondern eben in erster Linie funktionell war. Zudem wurde die Farbe zu einem wichtigen Gestaltungsmittel zweckentsprechender Formen.
Wie es die Bezeichnung "Jugendstil" auch erahnen lässt, sollten die Möbel der Jugendstil-Zeit ein Gefühl von Jugend und Bewegung vermitteln.

Zwar wurden Jugendstil-Möbel recht einfach gebaut, jedoch waren sie kunsthandwerklich sehr anspruchsvoll. Die Entwürfe wurden bis zum letzten Detail geplant. Dabei ging es den Möbeldesignern nicht darum Massenware zu fertigen, vielmehr sollten schmuckvoll-funktionale Unikate entstehen. Die Jugendstil-Designer wollten etwas noch nie Dagewesenes schaffen. Auch sollten die Möbelstücke aus Holz, Stahl, Eisen und/oder Glas Teil eines Gesamtkunstwerkes sein. So entwarf ein Jugendstil-Möbeldesigner oft nicht nur das Möbelstück, sondern machte sich als Architekt auch Gedanken zum Rest der Inneneinrichtung eines neu gestalteten Gebäudes.

Ein klares Ende des "Jugendstils" kann aufgrund der Wirren der Jahre bis zum und im I. Weltkrieg nur schwer genannt werden. Aber man kann sagen, dass die große Dresdner Kunstgewerbeausstellung im Jahr 1906 das Ende dieser Stilepoche in Deutschland sozusagen eingeläutet hat. Denn etwa ein Jahr nach der richtungsweisenden Ausstellung wurde der Deutsche Werkbund gegründet. Diesem waren einige der mit dem "Jugendstil" bekannt gewordenen Möbeldesigner beigetreten. Neue Leitbilder waren Sachlichkeit, Schlichtheit und Gediegenheit. Für die Zeitspanne von 1906 bis 1914 gibt es in der kunstgeschichtlichen Literatur keine allgemein gebräuchliche Bezeichnung einer Stilrichtung. Vorgeschlagene Begriffe, wie etwa "Reformarchitektur" bzw. "Reformstil" (im diffusen Kontext der allgemeinen Lebensreform), "Halbzeit der Moderne" (nach der gleichnamigen Ausstellung 1991 in Münster) oder "Prämoderne" haben sich bisher nicht durchsetzen können. Etwa um 1914 liegen in Deutschland (in Wien etwas früher) die Anfänge des Expressionismus. Dieser kann in vereinfachender geschichtlicher Darstellung als Ablösung des "Jugendstils" betrachtet werden. Vom "Jugendstil" ist bei Möbeln, anderen Gebrauchsgegenständen und kunstgewerblichen Produkten sogar noch bis in die mittleren 1920er Jahre hinein die Rede. Denn die Formensprache blieb gleich. In der Farbgebung reagierten die Möbeldesigner dann auf den Expressionismus der Malerei.


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